Va’a Expedition zum Skadarsko Jezero
Ja ja, auch der Chiemsee ist sehr schön, liebe Daheimgebliebene.
Doch was schon die echten Polynesier ausmachte und auch Heinz und Stefan antreibt, sie müssen hinaus auf’s Wasser und hinüber zu neuen, unbekannten Ufern.
Das ist so und da hält den Wahlmaori auch kein bayerischer Hula an den heimischen Gestaden.
Der Skadar See, im Süden der jungen Republik Montenegro ist mit 48 km Länge und 14 km Breite der größte See der Balkanhalbinsel, dessen Fläche je nach Wasserstand zwischen 370 qkm und 540 qkm schwankt. Der Wasserspiegel steigt nach der Schneeschmelze um fünf Meter. Wir hatten im Mai noch 2,50 m über dem Normalstand. Ein Drittel der Wasserfläche reicht in das Staatsgebiet von Albanien, das wir bei der ersten Va’a Befahrung dieses Gewässers auch besuchen wollten.
Landschaftlich gliedert sich der See in drei markante Bereiche. Südwestlich bildet das 1.600 Meter hohe Rumija Gebirge ein felsiges Steilufer aus, das mit seiner Inselkette an die dalmatinische Küste erinnert. Im Norden prägen zwei Zuflüsse, die Moraca aus Podgorica kommend und der Rijeka Crnojevića aus westlicher Richtung, das Landschaftsbild. Beide Flussläufe sind durch den Rückstau und der geringen Strömung vom See aus weit hinauf befahrbar. Im Osten schließt dann teilweise versumpftes Flachland an. Bei unserem vorgefundenen Wasserstand mit tief im Wasser stehenden Bäumen und ohne betretbares Ufer.
Als Ausgangspunkt für unsere Seeerkundung haben wir den Ort Murici am Südufer gewählt. Die Strasse dorthin ist mit unserem Caravangespann und dem Va’a auf dem Dach schon eine Abenteuerreise für sich. Drei Versetzungen waren dann noch nötig bis wir auf dem Strandgrundstück von Hassan den Stellplatz für die nächsten zehn Tage gefunden hatten. Laut einem Montenegro Reiseführer ist dort jeder zehnte Bewohner bei der Polizei und wir waren noch beim Rangieren, als bereits zwei Beamte im Geländewagen vorstellig wurden. Wir erklärten unser Vorhaben und übergaben dazu einen COC Flyer mit der Sicherheit nun rund um den See amtlich bekannt zu sein.
Erste Ausfahrt, erste Überraschung. Der V4 wird montiert und meine Neugierde richtet sich vor allem auf die Fahr- und Steuereigenschaften mit der neu angebrachten Finne am Ende des Bootsrumpfes. Ja, die Flosse überzeugt und der Steuermann kann nahezu 100% mitpaddeln. Das erleichtert natürlich unser Unternehmen zu zweit im V4 mit Gepäck und zwei Hunden. Wir kommen so zügig voran wie bisher nur mit leerem Boot. Das erste Ziel des Nachmittags ist die Insel Beska mit dem kleinen Kloster darauf. Eine Insel mit Kloster ist uns ja auch aus der COC Heimat bekannt, nur dass uns hier die junge Schwester Vesna begrüßt, durch die Baulichkeiten und die Historie führt und uns anschließend noch zu Kaffee und Grappa auf die Terrasse bittet. Kostenfrei versteht sich und das unterscheidet sie dann auch markant von der heimischen Klosterinsel und deren Bewirtungsvergütungen.
Tags darauf starten wir dann unsere mehrtägige Gepäckfahrt in Richtung Norden zu den Flüssen. Früh beginnt am Strand schon reges Treiben mit anheizen von Grillfeuern, auftürmen von Grillfleischmassen, Bier, Schnaps und Musik. Wir warten mit der Abfahrt wegen frischem Brot noch auf den fahrenden Landhandel und werden natürlich von der Grillgesellschaft eingeladen. Der vermutete Geburtstag entpuppte sich dann als Feierlichkeit zum erstem Mai heute und wir hatten bei der Abfahrt schon etwas Mühe den Takt und Kurs zu halten. Zum Glück war da ja nun die neue Finne für die gerade Linie bis ausser Sichtweite.
Es geht entlang an der Steilküste und der Blick streicht suchend in die Buchten. Nicht, dass wir jetzt schon unsere Zelte aufbauen wollten, aber es wäre in diesem Steilgelände bisher auch gar nicht möglich gewesen. Man ist gespannt was noch kommt. Eine Bucht mit kleinen, zum Teil verfallenen Steinhäuschen wirkt unbewohnt und wir fahren rein. Doch es gibt zwei Menschen im Ort und einer davon winkt uns auch gleich zum Kaffee anzulanden. Er ist Steinmetz von Beruf und bastelt an seinem Anwesen, dass mal ein Ausflugsziel für die Rundfahrtboote werden soll. Eine weitere Immobilie hätte er auch gleich für uns.
Eine Hoffnung auf den ersten Übernachtungsplatz ist noch die Insel Grmozur, das Alcatraz des Skadar Sees mit ruinösen Gebäuderesten, aber der Wasserstand ist zu hoch. Was das für die Gefangenen bedeutet hatte kann man nur ahnen, denn es kamen ja nur Nichtschwimmer zum Vollzug auf die Insel. Unser Quartier fanden wir dann ein paar Kilometer weiter in einer kleinen Ruine über steilen Uferfelsen. Aber seit Cres sind wir ja im Be- und Entladen unter widrigen Bedingungen bestens eingespielt.
Am nächsten Tag eine andere Welt. Vorbei an den beiden Landschaftserhebungen die man hier Sophia Loren Berge nennt, tauchen wir ein in der grünen Postkartenidylle des Rijeka Crnojevica. Von Ufer zu Ufer Seerosenfelder und dazwischen eine betonnte freie Wasserstrasse für die Kleinschifffahrt. Ziel ist das Lokal in Stari Most zum Mittagessen. Unterwegs kommt ein Motorboot mit Anglern längsseits. Die obligate Schnapsflasche wird uns rüber gereicht und stolz der Karpfenfang vorgezeigt. Mittags war der Ober bereits über unser Kommen informiert, so schnell macht die Kunde vom ersten Outrigger hier auf dem See die Runde.
Weiter geht die Wasserreise in Richtung Burg und Ort Zabljak Crnojevica, im 15. Jahrhundert einst die Hauptstadt Montenegros. Der Wasserspiegel fällt, aber immer noch stehen die Wiesen am Ufer unter Wasser. Langsam wird es aber Zeit für ein Nachtquartier und nahe der Ortschaft Dodosi ragen die Tore des örtlichen Fußballplatzes schon weit aus den Fluten und die Terrasse der Sportplatzgaststätte ist groß und trocken, dort legen wir an und bauen die Zelte auf. Vorbeifahrende Einheimische in ihren Holzkähnen stört es auch nicht weiter.
Nach Zabljak wären es nur mehr ein paar Kilometer gewesen und die Burganlage wirkte beeindruckend auf uns. Nicht so auf die Türken damals, die sie auf ihrem Eroberungszug schnell eingenommen hatten. Bei unserer Abfahrt dann das übliche Spiel, ein Bewohner winkt und ruft von seinem Balkon neben dem Fluss und wir landen an. Jetzt bemerke ich erst das Fehlen von Dexters Leine und mache mich noch mal auf den steilen Weg zur Burg hinauf, nur dort kann sie liegen. Heinz genießt inzwischen die Gastfreundschaft des neuen Bekannten im Ort und als dieser dann erfährt, dass Heinz heute 60 wurde kommt er um einige weitere Schnäpse nicht herum. Es ist erst Mittag und wir sind schon fertig mit der Welt. Einen Kilometer vor dem Ort hatten wir eine trockene Wiese gesichtet, dahin zogen wir uns für den Nachmittag zurück, denn für den Abend stand uns schon die Einladung zum großen Geburtstagsfischessen bevor.
Die Fischsuppe der Dame des Hauses war köstlich und ebenso die panierten Karpfensteaks. Der hausgemachte Wein blieb unerreicht und nirgendwo gelang es uns einen vergleichbaren Tropfen zu kaufen. Nur unser Geburtstagskind machte große Augen als ihm als größte Delikatesse, ein gedünsteter Karpfenkopf, auf den Teller gelegt wurde. Hausherr Rajko betont zum wiederholten Male, dass es ihm hier, frei und abseits der Zivilisation, viel besser gefällt als in der Hauptstadt Podgorica und ein anstrengender Tag mit nur fünf Paddelkilometern lässt uns im nahen Camp bald in tiefen Schlaf fallen.
Leider wurde die Querverbindung zur Wasserstrasse nach Podgorica bei einem Strassenbau zugeschüttet, so mussten wir für dieses Befahrungsvorhaben den grossen Weg zurück über den See nehmen. Tagesziel ist die Festung Lesendro und das Restaurant 13 Juli an der Strasse Nummer 18. und nach 17 Kilometern sind wir vor Ort. Die Freude auf ein kühles Bier wird jedoch jäh getrübt als uns der wie ein Zirkusdirektor livrierte Ober eröffnet, dass wir in diesem Hause mit unseren Hunden nicht bedient werden. Wir richten uns darauf im Burghof der Festungsruine gemütlich ein und kochen selbst. Pepe fängt seine erste Schlange im Burggemäuer und das Wasser aus dem tiefen Burgbrunnen ist kalt und schmeckt vorzüglich.
Nach ruhiger Nacht suchen wir im Labyrinth des überfluteten Auwaldes nach der Mündung der Moraca und paddeln flussauf bis zur Brücke nach Vukovci an der direkt ein Lebensmittel Laden liegen soll. An der Brücke liegt erst Mal nur eine stinkende Mülldeponie direkt am Wasser die sich beim jährlichen Hochwasser dann selbst räumt und entsprechend sehen auch die Flussufer aus. Montenegro hat ja auch als erstes Land der Welt den Umweltschutz in der Verfassung verankert, aber die Umsetzung ist eben eine andere Sache. Flussabwärts geht es gleich viel müheloser zu unserem bereits anvisierten Übernachtungsplatz an einer Flussgabelung mit reichlich Plastikflaschen in den Kehrwassern. 25 Kilometer haben wir heute auf dem Log und eine Moracabefahrung kann man sich künftig sparen.
Sonntag Morgen, unser Platz scheint ein beliebter Angelplatz zu sein, wie wir die enttäuschten Gesichter in den vorbeifahrenden Angelkähnen deuten. Bis nach dem Frühstück haben wir ihn noch belegt, dann geht es zurück zum See und quer rüber zurück nach Murici. Vor der nächsten Ausfahrt nach Süden Richtung Albanien legen wir einen Versorgungstag mit dem Auto über das Küstengebirge zur Stadt Vladimir ein. Bei Ostros liegen in den Kastanienwäldern mit riesigen alten Stämmen zahlreiche moslemische Friedhöfe, also einfach zu viele, um nur zum Gemeindebereich von Ostros zu gehören. Die Gräber sind auch schon älter und haben nicht mit dem letzen Balkankrieg zu tun. Was es damit auf sich hat konnten wir nicht klären. Ostros sehen und sterben vielleicht?
Auf der bisherigen Reise haben wir jede Möglichkeit genutzt Informationen über Albanien und unsere Einreise auf dem Wasserweg zu bekommen. Die Auskünfte waren durchwegs ernüchternd. Von Übernachtungen auf der albanischen Seite wurde abgeraten und mehrtägige Inhaftierung bei Grenzverletzungen auf dem See seien auch üblich. Wir hatten uns vor der Reise über die Formalitäten informiert, wonach für EU Bürger ein Personalausweis ausreichend ist, aber das gilt natürlich nur für die regulären Strassengrenzübergänge. Etwas ratlos bitten wir per SMS bei der COC Führung zuhause vorab eine diplomatische Klärung beim Konsulat zu erreichen. Leider erhalten wir trotz guter GSM Abdeckung keine Antwort aus der Heimat, obschon der Foto-Upload nach Facebook bestens funktioniert. Solchermassen allein gelassen und wegen der Unsicherheit was mit Boot, Ausrüstung und den Hunden im Falle einer längeren Protokollaufnahme passiert, brechen wir das Vorhaben ab.
Die letzte Fahrt am Skadar See geht von Murici nach Ckla, der letzten Siedlung auf montenegrinischer Seite. Neben den Pelikanen der letzten Tage sichten wir am Ufer nun auch die ersten Schildkröten und legen nach 18 Kilometern in Ckla an. Ich will einen Bekannten von meinem ersten Aufenthalt im Jahre 2006 besuchen und wandere zu den alten Häusern am Hang hinauf bis ich enttäuscht vor seinem Anwesen mit eingefallenem Dach stehe. Es sieht alles trostlos und unbewohnt aus, doch der Eindruck täuscht. Nach zaghaftem Klopfen kommt die Frau von Aslan heraus, erkennt mich auch sofort und ruft ihren Mann aus dem Garten. Die Freude ist groß und zu dritt paddeln wir in den offiziellen Hafen des Ortes, wo wir auch gut unsere Zelte aufstellen können. Kaffee, Schnaps, Brot und Ziegenkäse sind danach wieder obligatorisch und seine Frau gibt uns noch einiges davon mit auf die Reise. Das Dach war unter den ungewohnten Schneemassen im letzten Winter zusammen gebrochen und wird demnächst neu gedeckt, man ist trotzdem guter Dinge. Mit der Rückfahrt nach Murici endet dann diese sehr interessante erste Va’a Tour auf dem Skadarsko Jezero der mit seiner Landschaft und den herzlichen Menschen doch so ganz anders als der Chiemsee ist.