Die Chiemsee Outrigger auf der Elbe
Mit polynesischen Auslegerbooten aus Bayern durch die Sächsische Schweiz.
Eine lange Reise war das, mit unserem kleinen roten 3,50m langen Yaris mit ca. 80 km/h und dem gelben 10m Outrigger auf dem Dach quer durch Bayern und Sachsen. Nach einigen Pausen, zwei Staus und insgesamt fast 12h Fahrzeit sind wir dann in Pirna angekommen.
Der Vorabend:
Gar nicht so leicht war das, die letzten 300 Meter zum Bootshaus des Rudervereins Pirna zu finden. Eine Baustelle nach der anderen, gesperrte Brücken und Unterführungen. Nicht nur hier waren die Leute so nett und erklärten uns ganz genau wie wir fahren müssen um „Zur Dolle“ zu kommen. Schön, wir haben es geschafft. Ein kleiner Spaziergang abends um 19h zeigte uns erschreckend, wie schlimm das Hochwasser hier gewütet hat. Sämtliche Gebäude der Innenstadt sind in eine Baustelle verwandelt, die gesamten Keller und Erdgeschosse müssen renoviert werden. Der Spaziergang hier gleicht dem Durchwandern einer Geisterstadt. Kein Mensch, kein Licht, alles wirkt hier irgendwie leblos.
Der einzige Gasthof mit Übernachtungsmöglichkeit, der hier offensichtlich geöffnet ist, ist unser Bootshaus. Was für ein Glück, zumindest für uns. Im Laufe des Abends kamen dann noch Ute und Michael, unsere besonders freundlichen Reiseführer, hinzu, die uns beide Tage lang begleiteten und uns jeden Platz und jedes Gebäude und die Geschichten dahinter erklärten. Danke Ute, Danke Michael für Eure so liebenswerte Hilfe und Eure Gastfreundlichkeit.
Roland unser Vereinskamerad aus Bayern kam schließlich, nach ebenso durchwarteten Staus auf der Autobahn und dem bewältigtem Verkehrslabyrinth kurz vor der Elbe hinzu. Gut war das Essen und die Atmosphäre, auch wenn wir bis zum Einbruch der Dunkelheit noch immer nicht wussten, ob wir eine zusätzliche Matratze für Roland in unser Zwei-Bett-Zimmer bekommen würden. Tja hier waren die Bediensteten offensichtlich gestresst, klar bei dem Andrang den dieses Restaurant genießt, wenn es das einzige ist, das hier geöffnet ist. Ende gut, alles gut, wir hatten unsere Matratze und waren froh, nicht im 12-Bett-Zimmer mit anderen schnarchenden Paddlern und nur einem Fenster, das keinen Luftdurchzug ermöglichte, schlafen zu müssen.
1. Tag
Gut ausgeschlafen genießen wir das einfache aber gute Frühstück vom Buffet. Einfach praktisch hier vor Ort die Übernachtung, das Frühstück, das Abendessen unsere Autos mit Booten und die Elbe zu haben. Gestärkt geht es los, wie vereinbart zum Treffpunkt an der tschechischen Grenze, wo wir uns mit Ute, Michael und Andrea treffen und gemeinsam die Boote aufbauen. Andrea fährt bei uns im Outrigger mit und Ute mit dem Zwei-Mann-Kajak vorerst alleine, da Michael das Auto, glücklicherweise, wie wir später noch feststellen werden, weiter unten in Bad Schandau am Bahnhof parkt. Wir vereinbaren auch, dass wir auf der Fahrt nach Dresden uns abwechseln wer im Kajak und wer im Outrigger paddelt.
So, los geht’s: ich sitze am Steuer, Roland gibt das Tempo vor, und Andrea und Claudia sitzen auf Position zwei und drei. Wunderschön ist es gleich hier ab der Grenze neben den hohen Felsmauern des Elbsandsteingebirges zu paddeln. Wir sind zufrieden, dass wir weiter oben eingesetzt haben und auch die Strecke ab der Grenze sehen können. Das Wetter ist traumhaft und der Schiffsverkehr hält sich in Grenzen. Spannend für mich ist nur, wie im Vorfeld von vielen Vereinskollegen gehört, dass es hier auf der Elbe einige Gierfähren geben soll und man hier besonders aufpassen muss. Auch die Verkehrsregeln haben mir im Vorfeld etwas Sorge bereitet. Umso erleichterter bin ich, dass ich die erfahrene Paddlerin Ute mit ihrer beruhigenden Gelassenheit neben mir habe. Die Elbe ist so breit, dass man ohne Probleme Wenden kann, und die Voraussicht ist so gut, sodass man jedes entgegenkommende oder überholende Wasserfahrzeug schon weit im Voraus erkennen kann. Stresslos geht es also in gutem Tempo flussabwärts. Bitte verzeiht mir, wenn ich mich nicht mehr an alle Details bezüglich der Sehenswürdigkeiten, die uns hier im Überfluss begegnen, erinnern kann. Direkt nach unserem Startpunkt Schmilka sehen wir die imposanten, auf der rechten Seite gelegenen, hohen Schrammsteine. Das muss ein Traum für jeden Kletterer sein, und hier zu Paddeln ist auf jeden Fall für uns ein Traum.
Weiter flussabwärts sehen wir schon von Weitem den größten Berg des Elbsandsteingebirges auf uns zukommen, den Lilienstein. Wir passieren ihn links und kommen an der Festung Königstein vorbei und der darunter liegenden pittoresken Altstadt Königstein. Der gesamte Berg über der Stadt ist von der Festung eingenommen. Wir lassen uns ruhig vorbei treiben und suchen nach der nächst möglichen Anlegestelle, um die erste Pause einzulegen. Unter Bäumen und viel Sand genießen wir unsere kleine Brotzeit, etwas Schatten und eine kleine Abkühlung in der Elbe bevor es weiter geht. Vor unserem nächsten Halt in Rathen kommen wir an der von mir gefürchteten Stelle vorbei: die Gierfähre. Schon weit im Voraus sehen wir die Bojen, die das Seil markieren, an der die Fähre gehalten wird. Nur durch die Wasserströmung zwischen den beiden Uferseiten ist es der Fähre somit ohne Motor möglich hin- und her zu wechseln. Das Problem besteht nur darin, wenn die Fähre sich auf der „falschen“ Seite befindet ist die Elbe sozusagen gesperrt durch das Gierseil, das quer über die Elbe gespannt ist. Das Hindurchfahren ist verboten und sogar lebensgefährlich.
Wie erleichtert bin ich, dass ich hier nicht wenden und gegen die Strömung steuernd darauf warten muss, bis der Weg wieder frei ist. Die Fähre befindet sich auf der richtigen Seite und wir haben freie Fahrt. Interessant ist auch wie lang das Seil flussaufwärts gespannt ist, das sind bestimmt 200 Meter.Wir fahren an der Fährstation vorbei und halten so bald wie möglich unterhalb auf einer kleinen Wiese, wo wir die Boote ablegen können. Nach einer kurzen Pause marschieren wir, bis auf Michael, der nutzt die Zeit zum Schwimmen und Sonnenbaden an der Elbe, zur sogenannten Basteibrücke hoch. Das ist eine zwischen den Steinnadeln, die bis zu 194 m zur Elbe hin steil abfallen, erbaute Brücke. Auf dem Weg dorthin zeigt uns Ute noch die tollen (geheimen) Wanderpfade, die ohne Sicherung auf Bändern direkt in der Steilwand zur Elbe hin begehbar sind. Ein paar Meter trauen wir uns auch hinein, aber ohne Kletterschuhe und Ausrüstung trauen wir uns nicht weiter. Fantastisch ist die Aussicht und das Erkunden der einzelnen Felsspitzen, auch die Felsbrücke, die 1851 zum Ersatz der alten Holzbrücke erbaut wurde ist ein Erlebnis für sich, wenn auch hier die Touristen in Scharen hoch pilgern. Trotzdem ein gelungener Abstecher für uns Paddler.
Nach unserem Halt in Rathen kommen wir am Kurort Wehlen vorbei, den wir jedoch rechts liegenlassen und erreichen dann am späten Nachmittag unser Etappenziel, das Bootshaus „Zur Dolle“ des Pirnaer Rudervereins. Gegen den Strom, auf der linken Uferseite angelandet, beenden wir unsere heutige Ausfahrt ohne Probleme und Zwischenfälle, bis auf die eine kleine Tatsache, dass Michael und ich noch eine kleine Reise unternehmen müssen. Zuvor werden die Boote noch schnell in den unter der Gastwirtschaft gelegenen Bootsräumen verstaut bevor es los geht. Der Schlüssel für unser Rücktransport-Auto hat nämlich irgendwie die Abfahrt in Schmilka mit den Booten verpasst. Glück im Unglück hat Michael zuvor in weiser Voraussicht sein Auto nicht in Schmilka, sondern direkt am Bahnhof in Bad Schandau geparkt. Deswegen können wir gleich von Pirna aus ohne Umzusteigen zum Auto mit dem Zug fahren und sparen uns eine weitere Zugfahrt und eine Fährfahrt. Eine Stunde später sitzen wir wieder alle gemeinsam beim Essen in der Dolle.
Und auf das beste freuen wir uns schon, denn heute Abend gibt es in der Geisterstadt Pirna ein Hinterhoffest. Unglaublich wie auf einmal die Stadt sich voller Menschen, kleinen Bühnen für Theater und Musik und natürlich Ständen mit allerlei kulinarischem Essen und Trinken füllt. Wir sind absolut überrascht, wie die Menschen hier diese verlassene Statt auf einmal in ein gigantisches Fest verwandelt haben, das Hochwasser ist fast vergessen. Wir genießen den Abend mit guter Musik, Tanzen und sind schließlich erst nachts um 1 Uhr wieder zurück in unserem Zimmer.
2. Tag
Gestärkt durch das gewohnte Frühstück treffen wir uns wieder mit Ute und Michael. Andrea ist diesmal nicht dabei. Heute ist unser Ziel die Stadt Dresden und die schönen Gebäude vor und nach der Stadt und natürlich das Highlight, die Altstadt direkt am Elbufer. Locker paddeln wir in der Morgensonne bis Michael vorschlägt einen kleinen Abstecher zu Fuß zu einem Baggersee zu unternehmen. Was für eine tolle Idee, hier auch noch ein anderes Gewässer kennen zu lernen. 20 Minuten Wanderweg und ein Aufenthalt von mindestens einer Stunde an diesem netten See mit kleiner Insel, von der aufgrund des Hochwassers nur noch ein kleiner Teil aus der Wasseroberfläche ragt, gehören einfach zu unserer Freiheit, ohne Stress und Druck das zu tun, was man im Urlaub tun möchte.
Auf dem Weiterweg passieren wir das Schloss Pillnitz, machen Halt an einem Biergarten direkt am Elbufer. Wir genießen sämtliche Varianten der Fahrzeuge die hier auf dem Wasser unterwegs sind. Dazu gehören Partyflöße, Gummiboote mit Sonnenschirmantrieb, Rennyachten samt weiblicher Bugverzierung und natürlich auch einigen Paddelbooten. Sogar Faltbootpaddler treffen wir, die es gewagt haben trotz Sperrung die Linie der Gierfähre zu durchbrechen und dann den Ärger des Fährmanns ernteten. Wir klären die beiden natürlich schnell auf, was es mit den Bojen und der Gierfähre auf sich hat und wie gefährlich ihre Aktion eigentlich war. Gut dass nichts passiert ist.
Das Blaue Wunder ist für uns dann sozusagen der Eingang nach Dresden. Das ist die große, blau angestrichene und 1300 t schwere Metallbrücke die 1893 erbaut wurde und während des Kriegs keinen Schaden erlitten hat, eines der vielen Wahrzeichen Dresdens. Schon in der Ferne erkennen wir die Frauenkirche. Inzwischen haben wir gewechselt. Ute steuert den Vahine Motu, was sie wirklich sehr gut macht, auch wenn sie zum ersten Mal einen so langen Outrigger steuert. Ich sitze stattdessen im Kajak und fühle mich ehrlich gesagt gar nicht wohl. Wie verwöhnt bin ich von unseren Kanus des Outriggervereins, da gibt es kein Wackeln und kein Kippeln. Da habe ich die Position 1 in V4 als Kameramann schon wesentlich mehr genossen als hier im tiefer gelegten Kajak, wahrscheinlich auch, weil den größten Teil des Motors während dieser Zeit Roland übernommen hat. Gerade schaffe ich es zu steuern, nicht zu kippen und gleichzeitig noch einige wenige Fotos vom Vahine Motu zu erhaschen, denn Roland, Ute und Claudia sind relativ schnell an der Frauenkirche vorbei und durch die Brücken hindurch in Dresden verschwunden. Aber wir haben doch alle die Durchfahrt durch diese einmalige Altstadt genossen.
Als wir uns nach der Brücke vor der Semperoper rechts auf einer Kiesbank treffen erkennen wir, dass jetzt das Wetter doch umzuschlagen droht und wir verwerfen unseren Spaziergang durch Dresden. Das wird dann wohl bei einem anderen Besuch noch nachzuholen sein. Eine gute Entscheidung, denn zu unserem Ziel nahe der Autobahnbrücke sind es bestimmt noch 45 Minuten und wir erreichen den ESV Dresden (Kanuabteilung und Bootslager) nur ca. 5 Minuten nachdem es richtig wie in Strömen aus den Wolken angefangen hat zu regnen. Patsch nass warten wir in den Bootslagerräumen den Regen ab und räumen anschließend mit Yvonne vom Kanuverein Dresden die Boote in Ihr Lager, wo unser V4 dann auch die nächsten 7 Tage unbeschadet und sicher ausharren kann, denn Claudia und Ich werden erst noch eine Woche Wandern im Elbsandsteingebirge geniesen.
Was für eine Freude, dass Michael wieder einmal vorgesorgt hat und sein Auto am Morgen bereits an unserem zweiten Ettappenziel dem Bootshaus des ESV Dresden geparkt hat. Schnell sind wir zurück in Pirna und tauschen erst mal unsere Klamotten in trockene Wäsche.
So geht nun eine wunderschöne Vereinsausfahrt in traumhafter Umgebung nicht ohne ein kleines Unwetter und einem gutem Essen in Pirna zu Ende. Schön, dass wir diese kleine Bootsreise miterleben durften. Wir waren bestimmt nicht das letzte Mal in dieser schönen Gegend, vielleicht sogar nochmal mit unseren polynesischen Booten, dann bestimmt auch mit Schlafsack und Isomatte zum „Boofen“, wie es hier in Sachsen so schön heißt.