Vom böhmischen Wind verweht

Eine geflügelte Redensart die in allen an den Böhmerwald angrenzenden Regionen seit alters her in Gedichten und Volksliedern ihren Niederschlag findet und auch der COC kann nun, nach seiner zweiten Befahrung des Lipno Stausees, ein Lied davon singen.

Doch es war nicht nur der Wind aus dem Böhmerwald der diesen Vereinsausflug so abenteuerlich werden ließ…

Stefan Meuwly


Die Generalprobe war ja bereits durchgeführt, weil wir das V4 auf unserem neuen Auto mit dem neuen Dachträger bereits am Donnerstag vor der Fahrt zum Lipnosee aufgeladen haben. Das hat auch alles wunderbar funktioniert und einen stabilen Eindruck gemacht. Beruhigt konnte dann Claudia samt dem Boot noch am Freitag in die Arbeit fahren. Das Auf- und Abladen wäre dann doch zu aufwendig und anschließend stressig gewesen. Es hätte auch alles weiterhin geklappt, wenn wir nicht am Freitag Abend als Claudia von der Arbeit zurückkam festgestellt hätten, dass ein kleines ortsansässiges Nagetier gerne mal sein Revier markiert. Um so schlimmer war die Situation als wir fest stellen mussten, dass er den Benzinschlauch unseres Toyota Yaris auch als SEIN Revier betrachtet hat. Was tun, die Kollegen vom Verein sind bereits in Nova Pec am Stausee und warten auf das zweite Boot …… Panik!

Tja Glück im Unglück, denn ein äußerst hilfsbereiter Nachbar und Automechaniker, der Lochner Franz, hat dann „auf die Schnelle“ das Auto abgeschleppt, rauf auf seine private Hebebühne, alles inspiziert und schließlich den passenden Benzinschlauch ersetzt. Ein riesen Dankeschön hier nochmal für diese außerordentliche Nachbarschaftshilfe am Freitag Abend.

So bin ich also statt 17:30 um 19:15 samt dem Boot losgefahren, habe das Unwetter meistens hinter mir gelassen (Im Radio kamen ständig Meldungen über Unwetterwarnungen in Oberbayern und Niederbayern … genau meine Strecke) bis auf das bergige Gelände in Oberösterreich, Regentropfen, nein das waren Wasserfälle die da runterkamen. Da haben bereits die Befestigungsriemen, die ich um sie vom Fahrtwind zu schützen ins Autoinnere geklemmt habe, zu tropfen angefangen.

Endlich raus aus dem Gewitter, über die Grenze, die Straße wird schlechter und unübersichtlicher. Jetzt das noch, kurz vor dem Ziel (5 km noch) ich übersehe eine Bodenwelle ….. das Boot hebt ab, samt Dachträger …… und kracht gleich wieder aufs Autodach zurück. Was für ein Schreck. Angehalten, die Situation analysiert, nichts passiert, Gott sei Dank, außer, dass der Dachträger sich vom Türrahmen gelöst hat und beim zurückfallen einen kleinen Kratzer hinterlassen hat. Das Boot nochmals (jetzt besser) verzurrt gings dann weiter zum Ausgangsplatz, wo mich schon alle Vereinskollegen herzlich begrüßt hatten. Sie wussten gar nicht ob ich noch komme, die Nachricht ist offenbar nicht angekommen. Was muss das für ein unsicheres Gefühl gewesen sein.

Naja, ich war angekommen, das Boot war heil und das Bier schmeckte umso besser. Eine Überraschung war dann noch, dass ich nicht Nachts um 23h noch mein Zelt aufbauen musste, sondern in Stefans Wohnanhänger noch ein Plätzchen frei war. Super. Jetzt geht’s los.

Tag 1

Es ist wolkig, aber der Wetterbericht sagt ja strahlenden Sonnenschein voraus. Nachdem das Boot aufgebaut war und die „frischen“ Semmeln vom Bäcker, die übrigens sehr interessant ausgesehen haben, angekommen waren und wir uns das letzte Glas der äußerst lecker schmeckenden von Stefan selbstgemachten Maronimarmelade schmecken ließen ging’s dann aufs Wasser: Paul, Rainer und ich (Steuer- und Kameramann) im Vahine Motu, Roland und Stefan (ebenfalls Steuer- und Kameramann) im Tane Motu. Wir fahren los, tolle Landschaft, die Moldau hat offenbar Hochwasser, da das Wasser bis in die Wiesen reicht, einfach idyllisch wie wir uns hier auf dem sehr ruhigen Wasser zwischen Wiesenhängen, Schwanennestern und ab und zu einigen Hütten am Ufer mit zwei gelben Auslegerbooten bewegen. Die sechs Kilometer nach Horni Plana vergehen wie im Flug. Dies ist unser Ziel, denn tschechische Kronen haben wir noch gar keine und das Zahlungsmittel ist hier auch wirklich die Krone, denn Euro nimmt hier keiner. Angelandet hinter der Fährstation auf einer schönen Sandbank ist es ein idyllischer Anblick die beiden Boote so im Wasser liegen zu sehen, denn inzwischen hat das Wetter auch richtig aufgeklart …. Sonnenschein mit einigen wenigen Wolken.

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Horni Plana ist dann auch der einzig größere Ort hier weit und breit mit Restaurants, Hotels, Lebensmittelgeschäften, die jedoch heute Sonntag fast alle bereits geschlossen haben und den Bankautomaten wegen denen wir hier sind. Eine interessante Abwechslung ist dieser wunderschöne Spaziergang durch den Ort. Nach dem Mittagessen in einem Hotel und der Planung über die nächste Etappe geht es dann auch schon wieder weiter Richtung Südosten.

Die Aufteilung der Paddler in den Booten war vielleicht nicht ganz gerecht, aber dafür umso lustiger. Mit unserem Motormann Rainer (Vereinsmitbegründer und deutscher Vizemeister seiner Altersklasse im Rennkayak) konnte ich als Steuermann den See von allen seinen Fassetten beobachten, mal das eine Ufer, mal das andere, mal zurück zu unseren Senioren ;-) im anderen V4. mal Vollgas aber auch mal einfach nur ruhig mitten auf dem See wartend und die Natur geniessend. Respekt an dieser Stelle an unsere Kollegen Stefan und Roland, die den kompletten See von Nord nach Süd in zwei Tagen nur zu zweit mit zusätzlichem Gepäck in Form eines immer wachsamen Jagddackel Dexter bewältigten.

Innerhalb der nächsten ca. 7 km entdecken wir die schön in Südrichtung gelegene Hausbootsiedlung und weitere Siedlungen mit wunderschön angelegten Ferienwohnungen und Gärten. Nächster Stop Krizovatka Kyselov, das ist die Fähranlegestelle gegenüber dem Ort Dolni Vltavice. Vor rund 20 wartenden Radfahrern gleiten wir vorbei zum Ufer und genießen erst mal eine Runde Kaffee nach Campingart, also türkisch mit gemahlenem Kaffee direkt in die Tasse, mhhhmmmmm lecker bröselig, und natürlich mit echten tschechischen Keksen getunkt dazu. Ca. eine Stunde später, ausgeruht und die Umgebung inspiziert kann’s jetzt wieder in gewohnter Besetzung weitergehen. Wir möchten noch einen Abstecher machen zu dem Teil des Moldaustausees, der sich auf österreichischem Territorium befindet und anschließend einen schönen Platz für unser Zeltlager suchen.

Die Brücke ist schon von weitem sichtbar. Wir stellen uns vor, dass dies wohl die Stelle war, wo vor der Wende die Grenzposten schwer bewaffnet warteten und sobald ein unbekanntes Paddelobjekt sich nur anscheinbar genähert hat, die komplette Grenzmannschaft sich unmittelbar mit den Militärbooten aufgemacht hat um den „Feind“ zu bekämpfen. Spannende Vorstellung, ähnlich spannend ist die Situation auch als wir durch die Brücke hindurch in das Becken dahinter fahren und die fast schon aggressiven Schreie der am Ufer stehenden in Militärhosen bekleideten aufgeregten Angler die Idylle durchbrechend wahrnehmen: „NICHT NICHT FISCH NICHT SONNE, SONNE FISCH, NICHT SONNE“. Die Herren wollen uns wohl beibringen, dass wir nicht ihren wertvollen potentiellen Fang verscheuchen sollen. Naja gut, dann versuchen wir uns eben im Schatten der Uferbäume zu halten und Richtung Grenzschild zu fahren um nicht noch Schlimmeres zu provozieren.

Hier kommt man sich fast schon vor wie auf einem Seitenarm des Amazonas, Schilf, Gras, stehendes Wasser und rundherum nur Natur. Tatsächlich Republik Österreich steht hier und mit dem aktuellen Hochwasserstand gehört den Österreichern momentan sogar ein ganz schön großes Stück vom See. So, genug gefilmt, die Natur genossen und laut bellend die Fische verscheucht trauen wir uns wieder zurück, nachdem die Fischer auch mit Ihrem Boot Richtung SONNE/FISCH gerudert sind. Wir verlassen also dieses idyllische kleine österreichische Becken und suchen uns auf dem Rückweg einen geeigneten Platz für das Nachtquartier. Darauf mussten wir nicht lange warten. Eine wunderschöne Wiese mit vielleicht etwas hohem Gras, das teilweise über die Hüften geht ist auf den ersten Blick etwas wild, aber auf den zweiten dann plattgetrampelt schön weich als Zeltuntergrund nutzbar und abseits schön hoch um als „Toilettenhäuschen“ etwas Schutz für die Privatsphäre zu bieten, in jedem Fall Natur pur. Schnell sind die Zelte aufgebaut, für mich und Stefan das gewohnte Prozedere, für Rainer und Paul eine gewisse Herausforderung das neu gekaufte Familienzelt richtig positioniert aufgebaut zu bekommen. Obwohl für Roland eigentlich ja eine Premiere war sein Zelt fast ebenso schnell einsatzbereit wie das Typgleiche von Stefan. Ich bin ehrlich gesagt auch begeistert von diesem 1-Mann-Röhrenzelt „Gossamer“ von Jack Wolfskin, wobei ich den Komfort meines jetzt bestimmt schon fast 20 Jahre altem Vaude „Space III“ 2,5-Mann-Zelt sehr genossen habe. Eine gute Flasche Wein (natürlich Bio) zum anstoßen und das rustikale Abendessen a la Camping kann beginnen. Ein lokales kühles tschechisches dunkles Bier darf natürlich nicht fehlen. Hmmmm das schmeckt nach so einem Tag einfach am Besten. Dexter freut sich um jeden Stock oder Stöckchen das wir ihm zuwerfen, egal ob ins kalte Wasser oder tief im hohen Gras. Mal schauen wie lange er noch baden gehen will. Mit den schätzungsweise nur 15°C lauwarmen Wasser hat er es dann doch bald satt und freut sich dass sein Herrchen ihm auch einen campinggerechten Fressnapf samt Futter zum Abendessen bereit gestellt hat. Der Abend klingt aus mit interessanten Gesprächen und wir verabschieden uns ins gemütliche Zelt. Bei sternenklarer Nacht sind wir nach dem aktiven Tag heute sehr schnell eingeschlafen.

Tag 2

Aufgewacht sind wir wohl alle durch die lautstarken Gespräche die Dexter mit einem imaginären Angreifer auf dem See geführt hat. Ich glaube, selbst mit Ohropax und durchzechter Nacht wäre ich aufgewacht. Gut dass wir so einen aufmerksamen Wach- und Jagdhund haben. Der erste Blick nach draußen entschädigt aber mindestens für den etwas abrupten Weckruf. Nebelschwaden am Horizont, die wie eine sanfte Welle sich vom anderen Ufer her nähernd über den See legen, Reflexionen der klirrenden Morgensonne versprechen einen strahlenden Sonnentag. Was für ein Gefühl hier im Morgentau die ersten warmen Sonnenstrahlen bei einer Tasse Kaffee geniessen zu können, genau das sind die Momente, die ich an diesen Outdooraktivitäten so liebe. Kein Motorgeräusch weit und breit, keine Nachbarn oder Arbeiter die uns irgendwie vom Genuss der Einsamkeit ablenken könnten, nur wir hier allein in der Natur, einfach wunderbar.

Es dauert etwas bis die Zelte komplett vom Morgentau befreit und trocken gesonnt sind. Eingepackt sind sie dann schnell und ebenso schnell im Boot verstaut, wie wir gegen Ende des Tags feststellen werden keine so gute Idee ist. Es geht weiter, wir sind wieder, „on the road“ wollte ich fast sagen, „on open water“ natürlich. Zickzack von einem Ufer zum anderen, wie unser Team mit Motor Rainer es ja inzwischen gewohnt ist um alle Eindrücke des Sees einzufangen. Das nächste amüsante Ereignis ist die Begegnung mit einer hier im Lipnosee wohnenden Meerjungfrau, die in Bronze gegossen, bei diesem Hochwasser richtig in ihrem Element steht. Was für ein Bild, wunderbar so von der Sonne angestrahlt mit Rainer im Arm, fast schon etwas skurril, aber eigentlich auch wieder ganz stimmig, dieser „Seemann“, dem man die vielen Stunden im Kajak oder Kanu auf dem Wasser, die ihn an die Spitze der besten Deutschen Paddler gebracht haben, deutlich ansieht. Und natürlich werden hier sämtliche Posen in allen möglichen Perspektiven von mir und Stefan mit Fotos und Videos fein säuberlichst dokumentiert, ja das macht Spaß in jederlei Hinsicht genießen wir hier unseren Urlaub, ganz egal was die Wanderer da am Ufer über die Verrückten in diesen Booten mit diesem seltsamen Stützrad, äh Ausleger denken. Auf jeden Fall sind wir ein Hingucker.

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So einen Hingucker wollen wir auch provozieren, als wir von der Ferne bei unserem etwa wieder einmal ca. 10 km südöstlicher liegenden nächsten Ziel bereits die Trommeln hören. Nein nicht für irgendwelche Ureinwohner, sondern für sozusagen unsere Konkurrenten. Ja, dort bei der Feriensiedlung Lesni kurz vor Lipno, dem südöstlichsten Ort kurz vor der Staumauer, genau dort führen diese Drachenboot-Akkordarbeiter ihr Wettrennen durch. Von weitem sieht man bereits die Markierung ihrer Runde die sie hier zurücklegen müssen. Wir halten uns in guter Entfernung von den Markierungen und kommen der Situation etwas näher. Alle Drachenboote warten am Startpunkt …. jetzt geht’s wieder los. Dum-dum-da-dum-da-dumm hört mann die Schlage des Taktgebers der mit dem Rücken nach vorne am ersten Platz auf dem Boot sitzt. Die Skaven paddeln apathisch immer auf der ihr zugeteilten Seite ganz synchron und der Steuermann ist wohl der einzige der verhindert, dass die Boote auf Spitzengeschwindigkeiten kommen, weil er als einzig stehender Passagier sozusagen zwar die Richtung hält aber auch umso mehr Windwiderstand bildet. Tja bei genauerem betrachten sind die „Arbeiter“ Kinder, oder zumindest noch sehr junge Jugendliche, also sozusagen ein Sklaventreiber Bootsrennen mit Kinderarbeitern. Hmmmm, wenn ich mir die Gesichtsausdrücke mit meiner 20x Zoom-Kamera ansehe glaube ich fast schon was mir gerade durch den Kopf geht. Naja uns gefällt’s und dem Dexter offensichtlich, sich laut äußernd, auch. Jetzt geht’s aber weiter, mal sehen ob unser Plan denen die Show zu stehlen aufgeht. Auf der Höhe der Stege mit den wartenden Zuschauern angekommen passiert aber genau das Gegenteil: halt – stopp – hier nicht weiter fahren. Ok wir warten bis das Rennen vorüber ist und ziehen dann ruhig ohne Hetze vorüber an den etwas misstrauischen Blicken des Publikums vorbei bis wir das Feld hinter uns gelassen haben. Jetzt sieht man schon den Wiesenstrand von Lipno unserem Mittagsziel. Mir ist gar nicht bewusst, dass wir uns schon so weit am anderen Ende des Sees befinden, das müssten jetzt ungefähr 45km sein und Luftlinie etwa 22 km. Man kann die Staumauer schon sehen. Als wir unsere Boote auf die Wiese tragen und uns in Richtung touristische Hafenpromenade machen erkenne ich schon die aus Richtung Süden aufziehenden Schleierwolken. Was da wohl auf uns zu kommt, davon wissen wir jetzt noch nichts und genießen erst mal in aller Ruhe die einheimische Küche.

Gut gesättigt machen wir uns auf den Rückweg zu den Booten. Unser Ziel heute Abend, laut Plan, sollte die kleine Insel, die nicht mal auf den Karten eingezeichnet ist, sein. Diese liegt etwa im oberen Drittel des Sees auf Höhe des keinen Örtchens Cerna v Posumavi. Da die Wolken doch bereits dichter werden und wir doch etwas weiter nach Süden den See ausgefahren haben sollte für unser Ziel heute Abend auch die Fähranlegestelle gegenüber des Örtchens Dolni Vltavice reichen. Dieser Punkt liegt jedoch genau am nördlichen Ende der sich auf dieser Höhe weit nach Osten und Westen ausbreitenden Fjorde. Wir müssen also hier die sozusagen eine sehr breite Stelle des Sees nach Norden überqueren. Schön ist es so mit leichtem Rückenwind bei gefühlter Windstille schnell vorwärts zu kommen. Wir gleiten sozusagen schwerelos mit den leichten Wellen dahin. Ein wunderbares Gefühl ist das.

Nach einer guten Stunde Fahrzeit machen wir ein letztes Mal Rast an einer idyllischen sandigen Stelle. Kaffee vom Campingkocher und Kekse gehören wie immer dazu. Dexter freut sich beim Suchen sämtlicher verworfener Stöckchen und einige genießen die Rast und die noch vorhandenen leichten Sonnenstrahlen. Vielleicht 40 Minuten später machen wir uns auf unsere Weiterfahrt.

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Das einzige was mir doch immer mehr im Kopf herumschwirrt sind die jetzt immer dichter und leider auch dunkler werdenden Wolken, die noch dazu vor uns liegen. Mit unserer Besatzung im Vergleich zur Tane Motu Besatzung kommen wir wieder ein Mal schneller vorwärts. Als wir das erste Drittel des Fjords überquert haben frischt der Wind auf. Dies geht rasend schnell, was wir nicht vorhergesehen haben. Vielleicht ist es diese Gruppendynamik, die uns vorauseilenden Paddlern Motivation gibt weiter zu Paddeln in der vermeintlichen Sicherheit das andere Ufer sicher vor dem Sturm erreichen zu können. Als wir uns jetzt mitten auf dem See, in der Mitte des zu überquerenden Fjords befinden schlägt das Wetter um. Die Wellen werden schlagartig stärker und es wird richtig schwer das Boot zu steuern. Wir paddeln jetzt alle nur noch auf der linken, Ama-zugewandten Seite. Ich paddle nicht mehr sondern steuere nur noch. Hinter uns sehen wir Stefan und Roland, für uns scheinbar, immer noch den Kurs haltend. Rainer gibt jetzt die Kommandos. Wir versuchen zu drehen und mit den Wellen, die jetzt so hoch sind, dass sie über die Bootskante schlagen das andere Ufer erreichen. Total mit den Wellen zu driften geht nicht, denn dann würden wir das Ende des Fjords (ca. 7 km weiter östlich) erreichen. Deswegen müssen wir die Wellen leicht anschneiden. Stefan und Roland halten immer noch absolut parallel zu den Wellen den Kurs. Ich stemme mich mit vollem Körpergewicht auf die linke Seite in mein Paddel und hoffe: Jetzt bloß nicht einen falschen Steuerschlag machen. Wir haben keine Schwimmwesten an. Die haben wir brav unter den Sitzen bzw. in den Kisten verstaut. Unser Gepäck ist zwar teilweise wasserdicht verpackt, jedoch nicht am Boot festgemacht. Der jetzt einsetzende Regen ist dann noch das geringere Problem. Die Angst hier mitten auf dem See zu kentern und all unser Gepäck zu verlieren ist da schon viel stärker. Diese Angst sitzt uns wohl allen in den Knochen. Ich zittere schon bei den Steuerschlägen und Rainer und Paul paddeln wie die Verrückten, jetzt noch mehr als ich sie am Vormittag zum Spaß mit dem angehängten Tane Motu paddeln sehen habe. Jetzt wird auch nicht mehr geplaudert und das Hat-Kommando brauchen wir jetzt auch nicht mehr. Die Wellenberge von hinten schwappen jetzt noch mehr jedesmal in unser Boot hinein. Als wir im letzten Drittel der Überquerung sind sehe ich wie Stefan jetzt auch mit den Wellen Richtung Ufer, aber das andere Ufer des Fjords, zusteuert. Sie müssen wohl noch im ersten Drittel der Fjordüberquerung sein und jetzt eingedreht haben, warum nicht früher, das wissen wir noch nicht. Wir kommen langsam dem Ufer immer näher und die Wellen werden kurz vor der Landung auch weniger. Wir sind patschnass. Wir ziehen das Boot erst mal ins Schilf und sehen, wie Stefan und Roland im Tane Motu das andere Ufer erreichen, etwa auf gleicher Höhe, vielleicht etwas tiefer wie wir. Jetzt die Entscheidung: Rainer unser Kapitän meint, die Gruppe müsse zusammen bleiben und somit muss also die Vahine Motu wieder in See stechen und wir das andere Ufer irgendwie erreichen. Das schaffen wir nur wenn wir genau das gleiche jetzt in entgegengesetzter Richtung durchführen: Also die Wellen wieder schneiden diesmal aber nach rechts. Wir legen sofort ohne lange Pause los. Die Wellen sind stark wie vorher, aber glücklicherweise auch nicht stärker und was noch wichtiger ist, es Blitzt noch nicht. Eine spannende halbe Stunde ist dies in der mein Puls nicht nur wegen derAnstrengung auf 180 läuft. Ich schaffe es irgendwie mich nicht zu versteuern und achte auf die von hinten immer wieder anrollenden großen Wellen. Bei diesen drehe ich kurzzeitig das Boot wieder senkrecht zu den Wellen. Eine hohe Welle kann so ein 10 Meter langes Boot mit einem Schwung parallel zu den Wellen stellen. Dann ist es besonders schwierig das Boot wieder zu drehen und der Gefahr des Kenterns zu entgehen. Ein parallel stehendes Boot hat immer die größte Gefahr zu Kentern im Vergleich zu der viel besseren Position senkrecht zu den Wellen zu stehen. Also ich wechsle immer zwischen leichtem Anschneiden der Wellen, was ja notwendig ist um das andere Ufer zu erreichen, und der absolut senkrecht mit den Wellen laufenden Richtung.

Was ist das für eine Erleichterung als wir hinter einer leichten Landzunge im Lee das andere Ufer erreichen, wohl einige hundert Meter unterhalb der Position, wo die Tane Motu liegt. Es ist alles nass, bis auf die wasserdicht gelagerten Dinge. Barfüßig laufe ich mit den anderen beiden durch den Wald um Roland und Stefan zu finden. Es dauert gar nicht so lange bis wir beide finden. Ein kurzer Austausch über die Geschehnisse, da kommt auch schon ein Einheimischer, der offenbar gleich neben unserer Landungsstelle sein Ferienhaus hat, zu uns. Nachdem wir erfahren, dass genau auf dieser Stelle bereits mehrfach Paddler vom Wetter überrascht sogar den Tod gefunden haben lädt er uns alle zu sich ins warme Haus auf eine heisse Tasse Tee ein. Da sagen wir natürlich nicht nein und freuen uns erst mal die Nerven etwas beruhigen zu können. Jetzt erfahre ich auch, dass es für Stefan und Roland extrem schwierig war das Boot senkrecht zu den Wellen zu drehen. Roland war bereits, es war ja schon Abend und wir hatten einen langen Tag hinter uns, müde und Stefan hatte wohl auch noch mit seiner schmerzenden Schulter zu kämpfen. Mit einem Steuermann und einem nicht mehr auf 100% Vollleistung fahrenden Motor ist dann das Steuern in einer Situation wie dieser extrem schwierig. Aber schließlich und Gott sei Dank haben die beiden es irgendwie doch geschafft das Boot zu drehen und laut Stefan war es dann auch kein Problem mehr das Boot mit den Wellen einfach auf’s Ufer zu treiben zu lassen. Ich dagegen hatte da richtig Angst einen falschen Steuerschlag zu machen, mit meinen vielleicht gerade mal 15 Steuerstunden auf dem ruhigen Chiemsee. Die Tatsache, dass hier schon Kanufahrer gestorben sind verdeutlicht uns die Gefährlichkeit der Situation. Klar ist es etwas anderes mit einem 10 Meter Auslegerkanu unterwegs zu sein als mit einem drei Meter langen kippeligen Kajak. Wie auch immer, wir hatten Glück im Unglück, COC-Boote und die richtigen Entscheidungen auch wenn ich im Nachhinein sage, dass ich, wenn ich hier alleine unterwegs gewesen wäre nicht die Überquerung des Fjords in Angriff genommen hätte, sondern in Anbetracht der sich überall ausbreitenden dunklen Wolken, mir ein Nachtlager noch vor dem Fjord gesucht hätte. Aber im Nachhinein ist so etwas leicht gesagt, aber ich bin mir sicher, die Gruppendynamik bringt manchmal die Gefahr eine Situation nicht angemessen zu erkennen. Das ist beim Skifahren genauso wie beim Paddeln.

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Die Teetassen sind leer getrunken und unsere Nerven wieder etwas entspannt. Als wir von unserem Gastgeber den Tipp bekommen, gleich hier oben im Ort Kovářov auch noch gut Essen gehen zu können, ist das wie Balsam für unsere Ohren und Nerven. Das Boot holen wir noch vorher, aber die Zelte bauen wir erst anschließend auf. Meine Schuhe sind so nass, da gehe ich doch lieber barfuß, wobei ich die kälter gewordene Luft noch gar nicht richtig wahrnehme. Nach einem ordentlichen Anstieg erreichen wir das schöne traditionelle Fischlokal. Überrascht begutachten wir erst ein Mal sämtliche riesigen Fische die hier präpariert an den Wänden hängen. Unglaublich was für Riesen sich hier im Stausee wohl tummeln, und das sind sicher nicht die größten, die gefangen wurden, wer weiss wie viele noch größere hier noch herum schwimmen. Das Essen ist, wie immer bis jetzt hier am böhmischen Meer, wunderbar. Wir geniessen den Fisch und das kühle Bier und reflektieren über unsere Erlebnisse. Langsam tauen meine Füße auch wieder auf.

Zurück an den Booten angekommen bauen wir erst ein Mal unsere Zelte auf, Stefan, Roland, Paul und Rainer hinter einer kleinen Hütte versteckt, ich direkt am Ufer hinter einem Baum windgeschützt. Die Zelte stehen gut und wir lassen uns auch schnell in unsere Schlafsäcke fallen. Tja, da war wohl der Platz direkt am Ufer vielleicht doch nicht die beste Wahl, denn der Wellengang nach dem Sturm ist immer noch spürbar laut.

Tag 3

Am nächsten Morgen entscheiden wir dann aufgrund des immer noch starken Winds, der direkt aus Norden kommt, also genau die Richtung in die wir noch über 20 km paddeln müssen, dass Stefan, Rainer und ich versuchen irgendwie nach Nova Pec zu trampen um die Autos zu holen. Gesagt getan, um ca. 7h morgens brechen wir mit kleinem Gepäck auf. Es ist erst mal eine sehr weite Wanderung teils an einer schnell befahrenen Hauptstraße um den Lipnostausee. Ich denke es war bestimmt schon 9 als wir von einem Busfahrer als Tramper aufgenommen werden. Schön dass wir uns zumindest die Hälfte der Strecke zum Bahnhof nach Černá v Pošumaví​ sparen. Aber Unglück im Glück wieder mal, denn der Zug ist gerade vor fünf Minuten abgefahren und der nächste fährt erst um 11 Uhr wieder. Also suchen wir nach einer offen aussehenden Wirtschaft wo wir zumindest ein Frühstück bekommen. Das sieht alles recht leer aus und wir versuchen es erst gar nicht beim Gasthof gegenüber des Bahnhofs die Türe zu öffnen. Aber Gott sei Dank stellt Stefan 45 Minuten später die berechtigte Frage ob wir den versucht hätten die Tür zu öffnen und versucht es gleich selbst ….. mit Erfolg. Wir hätten also schon seit einer 3/4 Stunde im Warmen sitzen können und Kaffe und Frühstück haben können. Macht nichts so bringen wir wenigstens die restliche Wartezeit gut rum. Der Kaffe (türkischer Mokka) ist wunderbar und die Weissbrötchen schmecken umso besser, da wir jetzt wissen, dass wir in 1,5 Stunden am Auto sind.

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Eine schöne Fahrt mit dem Zug ist das noch und die Autos sind auch fast gleich abgeholt, aber eine Hürde gilt es noch zu überwinden, denn Stefans Auto springt nicht an, auch nicht nachdem wir versuchen das benzinbetriebene Notstromaggregat von Rainer anzuschließen. Erst als mir einfällt, dass ich ja auch die Überbrückungskabel im Auto liegen habe versuchen wir die Verbindung Auto-zu-Auto …. und glücklicherweise läuft jetzt Stefans Wagen wieder. Gut 20 Minuten später erreichen wir dann das holperige Gelände am Ufer des Sees. Das ist ein ganz schönes Kurbeln und Manövrieren hier zwischen den Bäumen durch bis zum Lagerplatz. Die Boote und Zelte sind dann schnell abgebaut, die Sonne scheint und die Autos ebenso schnell beladen.

Schön und spannend war’s unser Abenteuer Lipnostausee. Vielleicht werden wir dies mit einer ähnlichen Besatzung irgendwann wiederholen, jetzt haben wir ja Erfahrung. Wir verabschieden uns und los geht’s Richtung Heimat. Ich nehme die Fähre in Převoz Dolní Vltavice. Alles zusammen, also das Warten auf die Fähre, die Umwege, die mich das Navi jetzt lotzt komme ich ca. um 18 Uhr in Schützing an und das Boot steht dann auch aufgebaut um 19 Uhr im Regal. Was für ein Tag. Jetzt sind 12 Stunden vorbei seit dem wir am Morgen aufgebrochen sind.

Was für eine Reise, da war wirklich alles dabei, Spannung, Glück, Ruhe, Genuss, Gefahr, und Humor natürlich, den haben wir Gott sei Dank nicht verloren. Und rückblickend kann man natürlich auch über unsere Fjordüberquerung hin und wieder ironisch lachen. In diesem Sinne: Das böhmische Meer macht Spaß, aber sicherer fühle ich mich dann doch auf unserem bayrischen Meer.