Va’a Bohemia am Jihočeské moře (Lipnosee, Moldaustausee)

60 Jahre nach Baubeginn des sozialistischen Prestigeprojekts, einer Staumauer zur Schaffung des Südböhmischen Meeres zwischen Nova Pec und Lipno, machte sich nun auch der Chiemsee Outrigger Canoes e.V. auf den Weg, das benachbarte Gewässer mit einer Konturfahrt zu erkunden.

Benachbart kann man das Jihočeské moře schon deswegen bezeichnen, da sein Ufer gerade mal 143 Kilometer Luftlinie von den Gestaden des Bayerischen Meeres entfernt liegt.

Östereich hat sogar einen Strandabschnitt davon auf seinem Staatsgebiet, aber der hier ist noch kleiner geraten als jener von Bregenz am Bodensee. Dass dieser Landstrich mit Seeanschluss im oberösterreichischen Mühlviertel dann auch noch mit „Bayrische Au“ in den Kartenwerken bezeichnet ist, macht den Lipno Stausee quasi zum heimischen Gewässer der Va’a Division Bayern im COC.

Geografische Vergleiche sind ja üblich und so könnte man neben der sächsischen Schweiz diese Wälder und Auen um die vielen Buchten des Lipno Stausees durchaus das böhmische Schweden nennen, zumal sogar Elche hier wieder heimisch sind. Den Uferbereich gegenüber von Lojzovy paseky säumen verstreute Granitfelsen im Wasser, wie man sie ebenfalls aus den Schären kennt.

Zur Va’a Erstbefahrung hieß es beim COC intern wieder mal, Freiwillige vor, und es fanden sich auch wieder mal… nur zwei. Aber das reicht ja, wie wir von Montenegro her wissen, bestens zum Bewegen eines V4 samt Gepäck und Bordhund. Ein Blick auf die Karte zeigt am Ostufer einen Gastronomieabstand im Kilometerbereich, was die Frage der Proviantbeladung sehr vereinfacht.

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Wir erreichen über die B12, Passau, Hauzenberg, Ulrichsberg, Schöneben, den See an der Fährstation nach Oberplan / Horni Plana, dem Geburtsort des böhmischen Schriftstellers Adalbert Stifter. Gleich nach der Rumpfmontage kommen die ersten Tips von einheimischen Nautikern in Form von Aussenbordermontage am hinteren Iako und den zu erwartenden Geschwindigkeiten für den schlanken Va’a Rumpf. Unsere Konturrunde beginnt im Uhrzeigersinn Richtung nordwest zum Moldauzufluss bei Neuofen / Nova Pec. Dort am bekannten Autocamp ist auch die erste Nacht und unsere Proviantierung geplant. Das Camp existiert überraschend nicht mehr, aber die nahe Gastronomie versorgt uns in gewohnter Weise und am Abend stellen wir unsere Zelte direkt am Strand neben dem Kanu auf.

Am nächsten Tag zur Mittagsrast laufen wir die Bucht bei Stuben / Hurka an. Bordhund Dexter stellt und verbellt direkt neben unserem Picknickplatz eine stattliche Kreuzotter. Für die Nacht erkunden wir die kleinere der beiden Inseln hier und bereiten schon etwas Holz für das Lagerfeuer nach der Rückkehr vom Abendessen im Strandlokal bei Schwarzbach / Cerna v Posumavi vor. Um 02:00 Uhr nachts tobt dann Regen und Sturm um unser kleines Eiland, aber am Morgen ist der Spuk schon wieder vorbei.

Zur dritten Nacht erreichen wir bereits den südlichen und engen Teil des Lipno Stausees, aber auch hier findet sich ein ruhiger Platz am Ufer. Heute hat man uns schon mittags in Kovarov mit Böhmischen Spezialitäten verwöhnt. Tags darauf verkürzen wir die Rückfahrt zum Ausgangspunkt um einige Buchtkonturen des Ostufers und entkommen so dem Wettersturz, der sich bereits am Vortag durch Zirruswolken angekündigt hatte. Blitz und Donner begleiten dann den Bootstransport zurück ans bayerische Meer.

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Die Uferlinie des Lipno Stausees ist mit über hundert Kilometern doppelt so lang wie am Chiemsee und bietet dem Wanderpaddler endlos viele Möglichkeiten zum Verweilen oder Biwakieren. All die hellen Streifen am Strand die man im Google Satellitenbild erkennen kann sind feiner Sand und dahinter liegen meist ein Stück flache Wiese und Schatten spendende Bäume. Diese Sandflecken im zehn bis fünfhundert Meter Abstand ziehen sich um den ganzen See und sind nur ab und zu von einem Angler besetzt. Lediglich im Südosten um Friedberg / Frymburk ist der Uferwald mit Ferienhäusern etwas dichter bebaut, das westliche Ufer ist gänzlich unbewohnt und einsam. Mir fällt auf Anhieb kein vergleichbar idyllisches Gewässer in unseren Breiten ein.

Die Böhmische Küche der Region ist deftig, vielseitig und preiswert, 0,5 Liter Bier kosten knapp einen Euro. Die Zeltübernachtung am Strand oder auf einer der drei unbewohnten Inseln ist problem- und kostenlos. Für höheren Komfortanspruch gibt es am Ostufer auch zahlreiche Campingplätze direkt am Wasser.

Also auf ins böhmische Schweden, die Boote zu Wasser gelassen und einen der hundert einsamen Sandstrände erobert. Die Hängematte an die Bäume geknüpft und bei einem Buch von Adalbert Stifter zum Bohemier auf Zeit werden…