Steuertechnik

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Es ist nicht ganz trivial ein Auslegerkanu ohne eingebaute Fußsteuerung genau auf Kurs zu halten und wer dachte, so ein schlanker zehn Meter langer Rumpf sei eher schwer aus seiner eingeschlagenen Richtung zu bringen, der irrt gewaltig.Neulinge am Steuerpaddel machen regelmäßig unfreiwillige Vollkreise auf ihren ersten Kilometern. Doch ist erst einmal die Kunst der Va’a Steuerung richtig verinnerlicht, lässt sich auch dieses asymmetrische Wasserfahrzeug sehr gerade zum Ziel steuern.

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Es werden in der Beschreibung die maskulinen Formen der Funktionsbezeichnungen verwendet.

Beim COC liegen für alle interessierten Mitglieder die Standardwerke der Paddelkunst von Steve West zum Selbststudium auf und die Inhalte sollen auch gar nicht neu besprochen werden. Es geht hier mehr um die Frage der richtigen Umsetzung der verschiedenen Techniken. Ein wesentliches Element bei allen Steuerimpulsen ist die Stärke und Dauer ihrer Anwendung. Werden die folgenden Ratschläge beherzigt, sind die Steueraspiranten auch bald auf dem richtigen Kurs.

Doch fassen wir erst noch einmal kurz die unterschiedlichen Steuertechniken zusammen. Bei den ersten beiden Methoden handelt es sich um eine statische Handhabung des Paddels welche zur Funktion ein Kanu in Fahrt erfordern. Gesteuert wird das Va’a überwiegend am letzten Platz im Heck des Kanus, wird aber fallweise unterstützt von Platz eins.

Das angelegte Steuerpaddel.

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Die klassische polynesische Methode POKE. Dabei wird das Steuerpaddel bei angewinkeltem Arm links oder rechts ins Wasser geführt und das Blatt liegt dabei flach am Rumpf an. Die benötigte Steuerwirkung wird dosiert mit der Eintauchtiefe des Paddelblattes (1/4 Poke, 1/2 Poke, 1/1 Poke) und natürlich mit der Dauer dieses Steuerimpulses. Das Kanu dreht zu der Seite auf der das Paddel gesetzt wird weil durch diesen Vorgang das Heck des Kanus zur entgegen gesetzten Seite ausweicht.

Diese Steuermethode erfordert den bedarfsweisen Seitenwechsel des Steuerpaddels, ganz unabhängig vom HUT der restlichen Crew. Fatal wäre es den Poke versehentlich auf der falschen Seite einzusetzen und damit den Drehimpuls noch zu verstärken!

Das fliegende Steuerpaddel.

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Bei dieser Methode wird das Steuerpaddel mit den Armen in deutlichem Abstand zum Kanurumpf mit dem Paddelblatt senkrecht im Wasser geführt. Befindet sich das Paddelblatt dabei genau parallel zum Rumpf hat es keine steuernde Wirkung. Ist das Kanu in Fahrt voraus, reicht bereits eine leichte Drehung des Paddelblattes mit der Griffhand um einen Steuerimpuls zu generieren. Es ist allerdings erforderlich die Position des Steuerpaddels mit viel Armkraft stabil zu halten. Diese Steuermethode ist für beide Drehrichtungen schnell und unabhängig von der aktuellen Paddelseite anwendbar. Die Steuerwirkung wird über den Anstellwinkel des Paddelblattes und die Dauer des Steuervorgangs bestimmt.

Dreht man die Vorderkante des Paddels vom Bootsrumpf weg kommt starker ZUG auf die haltenden Arme und das Heck des Kanus wird ebenfalls in diese Richtung gezogen und das Kanu dreht zur entgegen gesetzten Seite. Absolut wichtig ist hier der Abstand des Paddels vom Rumpf, wenn er zu gering ist wird aus dem beabsichtigten Wegziehen genau das Gegenteil nämlich die POKE Wirkung von oben mit drückender Wirkung.

Dreht man die Vorderkante des Paddels in Richtung Kanurumpf kommt starker DRUCK auf die haltenden Arme und das Heck wird ebenfalls in diese Richtung gedrückt. Die Drehrichtung des Kanus entspricht einem POKE auf dieser Seite. Der Vorteil gegenüber dem POKE ist der schnelle Wechsel zwischen Ziehen, Drücken oder Mitpaddeln.

Das dynamische Steuerpaddel.

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Eine Richtungskorrektur ohne große Bremswirkung wird durch die spezielle Paddelführung beim ständigen Mitpaddeln des Steuermanns erreicht. Während die Crew ihre Paddel genau parallel entlang des Kanurumpfes bewegt, setzt der Steuermann sein Blatt nach Bedarf etwas weiter vom Rumpf entfernt ein und integriert in seinen Paddelschlag einen Ziehschlag um das Heck etwas auf diese Seite zu ziehen. Oder er drückt sein Blatt zum Ende des Paddelweges vom Rumpf weg um das Heck zur anderen Seite zu drücken. Dieser Steuerschlag, J-Schlag genannt, kostet etwas Kraftanstrengung.

Im perfekten Steuerbetrieb verschmelzen alle diese Techniken*) je nach Bedarf nahtlos miteinander.

Was passiert bei einer Kursabweichung?

Fährt das Kanu mit wohlverteilten Paddelkräften schön geradeaus handelt es sich um den Idealfall. Ändert das Kanu unbeabsichtigt seine Richtung kann das viele Ursachen haben. Wind, Wellen, Strömung, ungleichmäßiger Krafteinsatz der Paddler, vermindern oder erhöhen der Schlagzahl, falsch gebundener Ama usw.

Wichtig zu wissen für den neuen Steuermann ist aber, dass eine Kursabweichung bei einem Schwimmkörper ohne Kiel und Steueranlage keine kleine Änderung in eine neue feste Richtung bedeutet. Diese Abweichung vom Kurs ist der Anfang eines eigendynamischen Vorgangs der ohne Eingriff zu einem Kreis wird und im weiteren Verlauf gar eine enger werdende Spirale. Diese Drehtendenz wurde eingeleitet durch einen wie auch immer gearteten Impuls und beendet wird diese Tendenz mit einem entgegen gesetzten Steuerimpuls.

Es ist nicht erforderlich und sogar nicht zielführend das „angelegte“ oder „fliegende“ Steuerpaddel solange einzusetzen bis sich das Kanu wieder deutlich und mit zunehmender Geschwindigkeit zurück dreht. Hier hätte der Steuermann bereits wieder einen Impuls für den Kreis auf die Gegenseite gesetzt, was dann wechselweise zur bekannten Schlangenlinie führt.

Richtig wäre, die erkannte Drehtendenz schnell aber wohldosiert zu stoppen und dann mit wiederholender Mikrosteuerung und Gefühl den gewünschten Kurs wieder aufzunehmen. Das „wohldosiert“ muss aber erst bewusst erarbeitet werden. War der lange harte 1/1 POKE zu stark für die vorliegende Situation, dann einfach das nächste Mal nur 1/2 POKE und auch zeitmässig deutlich kürzer Gegensteuern. Jedes zu stark geratene Steuermanöver bremst das Kanu unnötig ab.

Diese Erfahrungswerte kann man nur selbst sammeln, muss es aber auch tun. Gleiches gilt natürlich auch für alle anderen Steuertechniken. Also, Drehtendenz kurz abfangen und dann vorsichtig zurück auf Kurs gehen. Es sind eigentlich zwei Vorgänge die zeitlich eng zusammen liegen.

Je eher der Steuermann einen Drehimpuls vorausahnen kann, um so besser wird seine Kursgenauigkeit werden. Tipp! Nach dem HUT das fliegende Steuerpaddel kurz im Wasser halten und warten ob auf etwas reagiert werden muss. Die Paddler setzen oft nach dem HUT ihren ersten Schlag mit unterschiedlicher Kraft oder nicht weit vorne genug ein.

Die Wende im Wettkampf.

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Eine enge 180° Kurve um eine Wendeboje steuert sich gut und bei wenig Armkraft mit dem POKE auf der linken Seite. Auslegerkanus wenden über die Ama-Seite da dieses bremsende Element bei einer Rechtskurve einen großen Aussenkreis durch das Wasser fahren müsste. Die (Wettkampf)Wende wird von Platz eins mit einem POKE auf der rechten Rumpfseite unterstützt. Auch hier ist der nötige Drehimpuls eine Erfahrungssache die erarbeitet werden muss, POKE-Aktionen haben eine deutliche Bremswirkung. Platz zwei unterstützt die Wende noch mit weit ausgreifenden Ziehschlägen auf der linken Seite (siehe Bild). Achtung! Rechtzeitig vor der Boje mit HUT die Paddler in die erforderlichen Positionen bringen, Platz eins rechte Seite.

Kanu drehen mit Z-Schlag.

Um ein treibendes Kanu wieder in die gewünschte Fahrtrichtung zu drehen oder beim Ablegen vom Steg bzw. tiefen Ufer verwenden wir den Z-Schlag. Beim Ablegen führt diesen Schlag nur Platz eins aus, typischer Weise wird das auf der linken Seite sein. Es handelt sich um einen dynamischen Steuerschlag, da dabei das ruhende Kanu durch Paddelbewegung die Richtung ändert. Keinesfalls wird ein Va’a beim Ablegen mit Wucht seitlich vom Ufer etc. abgestossen!

Die Handhabung ist zwar einfach aber fehleranfällig. Das Paddelblatt wird dazu in etwa halber Armlänge Abstand vom Rumpf senkrecht im Wasser in Bug- Heckrichtung hin und her bewegt. In der Bewegungsrichtung wird die jeweilig wechselnde Vorderkante des Paddels maximal 45° vom Rumpf weg geöffnet und am Endpunkt der Bewegung erfolgt die schnelle Blattdrehung auf 45° zur Gegenseite. Wichtig ist die Paddelführung parallel zum Kanuseite im gleichen Abstand, kein Halbkreis um die Schulter!

Das Kanu beginnt sich entgegen dem Uhrzeiger im Wasser zu drehen und diese Bewegung stoppt auch nicht sofort. Darum ist das Paddel bei Beendigung des Z-Schlags aus dem Wasser zu nehmen, andernfalls kann es unter den Rumpf geraten und aus der Hand gehebelt werden. Im freien Wasser unterstützt der Steuermann diese Drehung mit seinem Z-Schlag auf der Gegenseite. Die restliche Crew hält ihre Paddel aus dem Wasser quer vor sich.

Der statische Ziehschlag nach Duffek.

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Der Duffekschlag, benannt nach einem tschechischen Kajakexperten, entspricht dem fliegenden Steuerpaddel in Zugposition gedreht gehalten, nur dass er jetzt von Platz eins ausgeführt wird. Achtung, den Anstellwinkel des Paddelblattes nicht zu weit öffnen, die Kräfte des voll besetzten Kanus in Fahrt sind sonst nicht zu halten. Benötigt wird der Schlag vom Ausguck auf Platz eins wenn es darum geht einem spät erkannten Hindernis, Treibgut etc. das der Steuermann nicht sehen konnte schnell auszuweichen.

Der Duffekschlag kann auch blitzschnell und ohne Handwechsel als Cross-Duffek auf der anderen Rumpfseite eingesetzt werden. Weitere Anwendungsfälle können die Unterstützung des Steuermanns beim längsseitigen Anlegen oder ein zusätzlicher Drehimpuls zu einer Wende sein. Der statische Duffekschlag hat gegenüber dem dynamischen Ziehschlag den Vorteil, dass daraus mit einer Blattdrehung und ohne das Paddel aus dem Wasser zu nehmen sofort ein Vorwärtsschlag wird.

Der Steuermann im Va’a.

Er gibt alle Kommandos mit Ausnahme des HUT. Er muss aber nicht zwangsläufig der verantwortliche Bootsführer nach der Schifffahrtsordnung sein. In Notfällen gelten die Kommandos des Bootsführers für alle Personen an Bord. Bemerkt der Steuermann, dass das Kanu ständig nach einer Seite dreht, lässt er die Paddler zwei und drei ihre Plätze tauschen. Bei Sturmböen und brechenden Wellen von links gibt der Steuermann das Kommando „Paddel Ama“ und alle paddeln zur Sicherheit auf der Ama-Seite weiter. Bis zur Aufhebung der Situation entfällt der HUT-Seitenwechsel und die einseitigen Paddelkräfte werden mit einem fein dosiertem POKE auf der Ama-Seite neutralisiert. Wird der V4 von einem Steuermann auf Platz fünf unterstützt, steuert dieser kontinuierlich auf der Ama-Seite da zwei zu drei Paddler auf der rechten Seite die Kentergefahr deutlich erhöhen und die Ama-Abhebung nicht in seinem Blickfeld liegt.

Stefan Meuwly

*) Die hier propagierte Steuertechnik wurde aus meinen praktischen Erfahrungen im Kajak, Kanadier, Raft und Va’a entwickelt.

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